Hypnotherapie & Wissenschaft 2010

HYPNOTHERAPIE ist KEIN Abrakadabra

Tiefe Entspannung und die Konzentration auf innere Bilder haben viel mehr Kraft, als konservative Schulmediziner glauben möchten. Wer bereit ist, sich in die Hände eines erfahrenen Hypnotherapeuten zu begeben, hat gute Aussichten, Ängste loszuwerden und Operationen ohne Betäubungsmittel zu überstehen.

 

Vor kurzem druckte der „Spiegel“ eine Kleinanzeige der Rheinischen Post ab: „Patientin sucht Gleichgesinnte, die von einem Heilpraktiker miserabel hypnotisiert wurden, ohne Erfolg.“ Dabei waren wir doch schon so oft per Fernsehen dabei, wenn ein professioneller Hypnotiseur ein Opfer aus dem Publikum in willenlose Trance versetzte. Völlig ausgeliefert, lässt er alles mit sich machen, bevor ein Fingerschnippen die Demonstration beendet. Es scheint alles ganz leicht zu gehen.

 

REALE BILDER AUS DEM INNEREN

 

Schweden, Dänemark und Israel sind weltweit die einzigen Länder, in denen nur ausgebildete Ärzte und Psychologen ihre Patienten in Hypnose versetzen dürfen. Jenseits von Abrakadabra gibt es auch bei uns eine ganz andere Seite der Behandlungsmethode. Jene, die von Schmerzen und Ängsten befreit und die den Stoffwechsel steuern kann. Blutdruck, Hormonspiegel und sogar die Aktivierung seines Immunsystems kann der Mensch in Hypnose beeinflussen. Rund 10 000 Ärzte und Therapeuten wenden die in der Psychotherapie inzwischen anerkannte Methode zur Behandlung von psychisch beeinflussten körperlichen Erkrankungen an. Dazu zählen unter anderem auch Schlaflosigkeit oder Nikotinabhängigkeit. 

 

Wer glaubt, Hypnose ist induzierte Bewusstlosigkeit, der irrt. Unter Anleitung des Therapeuten verschafft sich der Patient einen Zustand tiefer Entspannung. Dabei öffnet er sich für innere Bilder und Gefühle, die er wesentlich intensiver als im Wachzustand wahrnimmt. Er erkennt Möglichkeiten und Wege, die er im Alltag nicht sieht, weil ihm dort seine Zwänge aber zuweilen auch sein „logisches Denken“ im Weg stehen. Dem Entspannt-Konzentrierten erscheinen sie real.

 

WISSENSCHAFTLICH UNTERMAUERT

 

Dass Hypnose wirkt, beweist nicht nur die steigende Nachfrage, sondern auch rund 200 klinische Studien. Die Mehrheit davon zeigen, dass die Methode nicht nur auf dem Placeboeffekt beruht, wie er einigen anderen alternativen Heilmethoden nachgesagt wird. Bereits im Jahr 2002 zeigt eine Metaanalyse des Konstanzer Psychologieprofessors Walter Bongartz über 40 Studien, dass die Erfolgsquote bei Krankheiten mit Hypnotherapie bei rund 60 Prozent liegt, ohne sie dagegen nur bei etwa 40. Eine Schweizer Studie zeigt einen messbaren Erfolg bei Heuschnupfen und eine andere deutsche Untersuchung weist auf weniger Frühgeburten hin, wenn Frauen bei der Geburtsvorbereitung die notwendige An- und Entspannung per Hypnose einüben.

 

Weitere Anwendungsgebiete mit messbar guten Ergebnissen: Umstellung der Lebensweise bei Adipositasund Rauchen, Schlaflosigkeit, Flug- und Prüfungsangst oder Enurese bei Kindern. Wer sich vor den Schmerzen einer Zahnbehandlung fürchtet und schlimmstenfalls seit einigen Jahren den gefürchteten Stuhl gemieden hat, dem helfen mehr als tausend Hypnose-Dentisten weiter, die dem Patient zu einer Behandlung ohne Angst vor dem Bohrer verhelfen. Weiterer Vorteil der Trance mit wenig oder ganz ohne Lokalanästhesie: Das Zahnfleisch wird nach der Behandlung viel schneller wieder durchblutet, die Heilung ist deutlich kürzer, das pelzige Gefühl bleibt aus.

 

ABKOPPELN UND UMPROGRAMMIEREN

 

Wo kommt die Kraft her, die hinter der Hypnose steckt? Die Trance ist trotz aller Entspannung ein Zustand höchster Aufmerksamkeit. Die Konzentration gilt dabei aber nicht der Umwelt, sondern richtet sich nach innen. Typisch für Patienten unter Hypnose sind sogenannte dissoziative Prozesse: Bewegungen erfolgen unabhängig von der bewussten Außenwahrnehmung. Angstpatienten etwa haben gelernt, bei bestimmten Reizen ein eingefahrenes Verhaltensmuster ablaufen zu lassen. Hypnose erlaubt es, Ursache und Ablauf zu trennen. Therapeut und Patient können „umprogrammieren“. Ganz ähnlich sieht es bei Schmerzen aus. Ein Nadelstich tut dann nicht mehr zwangsläufig weh.

 

Mithilfe von PET und fMRT sind die entsprechenden Prozesse im Gehirn sichtbar. In Hypnose ist die Konnektivität verschiedener Areale im Gehirn stark vermindert und das „Entscheidungsareal“ im frontalen Cortex gehemmt. Die Trance entkoppelt das „Aufmerksamkeitszentrum“ im Anterioren Cingulären Cortex (ACC) vom lateralen frontalen Cortex. Das Zentrum für Sinneswahrnehmung und Umsetzung in die entsprechende Reaktion gehorcht damit nicht mehr der Logik des Hypnotisierten, sondern eher der des Hypnotiseurs und den erzeugten inneren Bildern. Stephen Kosslyn von der Harvard University zeigte in einer Untersuchung seinen Probenden eine Reihe von farbigen Bildern und deren Schwarz-Weiß-Entsprechung. Bei letzteren sprachen die entsprechenden Zentren im Sehzentrum deutlich weniger an. In Hypnose – wenn er seinen Probanden suggerierte, die Grautöne wären nun farbig – aktivierte er damit das Sehzentrum genauso wie in Wirklichkeit. Die wache Kontrollgruppe reagierte dagegen nicht.  

Quelle: http://news.doccheck.com/de/1767/hypnotherapie-kein-schnipp-schnapp/ Autor: Erich Lederer

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